Polyamorie oder Polyamory
Polyamorie oder Polyamory bezeichnet eine Form des Liebeslebens, bei der eine Person mehrere Partner liebt und zu jedem einzelnen eine Liebesbeziehung pflegt, wobei diese Tatsache allen Beteiligten bekannt ist und einvernehmlich gelebt wird. Polyamore Beziehungen gründen auf der Absicht, die gewünschten Beziehungen langfristig und vertrauensvoll miteinander zu gestalten, meist schließen sie Verliebtheit, Zärtlichkeit und Sexualität ein. Damit grenzt sich Polyamorie deutlich ab von der Offenen Beziehung, die auch monoamore Menschen mit zusätzlichen Nur-Sex-Beziehungen mit einschließt, oder anderen Formen der „freien Liebe“. Es gibt Überschneidungen zur Beziehungsanarchie, in der Beziehungen auf Basis individueller Wünsche anstelle von Normen geführt werden, unterscheidet sich aber von dieser durch die Annahme, eine formelle Unterscheidung zwischen verschiedenen Typen von Beziehungen zu brauchen. Weltanschaulich bejaht das polyamore Konzept, dass ein Mensch mit mehreren Personen zur selben Zeit Liebesbeziehungen haben kann, und stellt die Vorstellung in Frage, dass Zweierbeziehungen die einzig erstrebenswerte oder mögliche Form des Zusammenlebens seien.
Polyamore Menschen beschreiben Eifersucht oft als eine Mischung verschiedener Gefühle und Gedanken wie Wut, die Kontrolle über den Partner zu verlieren, Angst, seine Liebe zu verlieren, verlassen zu werden oder unwichtig zu werden, Scham über eine empfundene Abwertung oder auch Trauer über verlorene Gewissheiten.Oft überlagern sich verschiedene Gefühle. Eifersucht gilt unter Polyamorie praktizierenden Menschen zumeist weder als ein Zeichen von Liebe noch als Betrug oder Charakterschwäche, wenn auch besitzergreifendes Verhalten von polyamoren Personen meist nicht toleriert wird. Idealerweise würde der Partner einer eifersüchtigen Person diese liebevoll, akzeptierend und begleitend behandeln – ähnlich wie jemand mit der Trauer eines Freundes umgeht, der eine nahestehende Person verloren hat, oder der Angst eines Kindes, welches sich nicht sofort traut, schwimmen zu lernen. Doch eine solche begleitende Haltung und Bereitschaft zur Begegnung mit intensiven Gefühlen muss selbst oft erst erlernt werden.
In polyamoren Beziehungen bestehen meist mehrere Lieben nebeneinander. Die Partner leben diese auch aus. Wie das konkret geschieht, ist unterschiedlich. Es gibt polyamore Paare, die miteinander eine Hauptbeziehung führen und daneben noch Zweit- oder Nebenbeziehungen pflegen. Es gibt Beziehungskonstellationen, bei denen kein Hauptpaar erkennbar ist. Wichtigste Grundlage für die meisten Polyamoren ist, dass alle Beteiligten von allen bestehenden Beziehungen wissen und sich gemeinsam um Einvernehmlichkeit bemühen. Das bedeutet, es braucht sehr viel Zeit für Gespräche, Einfühlung, Konfliktlösung. Dadurch stellen die Beteiligten sicher, dass sie die Wünsche und Grenzen aller sehen und beachten.
Für Polyamorie spricht:
Freiheit für individuelle Bedürfnisse; - freie Entfaltung der Liebe zueinander mit ihren vielfältigen Ausdrucksformen; - Ehrlichkeit und Befreiung von schlechtem Gewissen; - Offenheit, Transparenz und Vertrauen; - Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung, da eine Möglichkeit geschaffen wird, mit Neugierde die eigenen Gedanken und Gefühle zu erforschen und sensibler mit den eigenen Bedürfnissen umzugehen; - Selbstverantwortung für Emotionen wie z.B. Eifersucht und den eigenen Selbstwert; - Befreiung von gesellschaftlich dominanten Moralanforderungen an Beziehungen durch Dekonstruktion des Monogamie-Ideals; - Erfahren von Neuem und Vielfältigkeit im sexuellen und emotionalen Erleben; - Verbinden von Freiheit und Selbstverantwortlichkeit, Vertrauen, Intimität und Verbindlichkeit, anstatt diese gegenseitig auszuschließen; - Befreiung vom Anspruch nach der „einen perfekten Liebe“, wodurch auch der Druck nach der Erfüllung aller Bedürfnisse durch eine einzige Person, genommen wird; - Einzigartigkeit und Ergänzung, statt Konkurrenz; - Treue, Verantwortung und Langfristigkeit; - Freiheit und Autonomie; - Identitätsstiftung und Stärkung des Selbstwertes durch das Zugehörigkeitsgefühl zu einer polyamoren Community.
Herausforderungen und Schwierigkeiten:
- Zeit und Aufmerksamkeit, Gefühle und Bedürfnisse gleichermaßen gerecht aufzuteilen und dabei selbst in Balance zu bleiben; - oft ist aufgrund des Zeitmanagements kein Platz für weitere soziale Kontakte außerhalb des Beziehungsgeflechts; - die Bedürfnisse aller Beteiligten zu balancieren bzw. aufeinander abzustimmen und jeden zufrieden zu stellen; - hohe Komplexität, intensivere Selbst- und Beziehungsreflexion, Kommunikationsbereitschaft und Geduld; - Umgang mit dem ständigen Konstellationswechsel innerhalb des Beziehungsgeflechts; - Selbstverantwortlicher Umgang mit unerfüllten Bedürfnissen; - den hohen Ehrlichkeitsanspruch zu erfüllen ohne zu verletzen oder zu überfordern; - konfliktträchtige Verhandlungen der Beziehung und Vereinbarungen, die von jedem anders interpretiert werden können und sich mit der Zeit auch verändern; 26 - monogame Wünsche einer Person, die hofft ihre Partner*in doch noch von Monogamie zu überzeugen, wenn sie erst „richtig verliebt“ sei; - Ungleichgewicht in der Verteilung von Affären oder Nebenbeziehungen; - Umgang mit dem Umfeld, Geheimhaltung und Vorurteilen und - Umgang mit Eifersucht und (Verlust-)Ängsten.
Psychotherapie ist hilfreich. Paartherapie und Familientherapie unterstützt bei allen Themen.